26. September 2020
Ich mache mir Gedanken. Ob es zu viele sind kann und will ich nicht beurteilen. Der folgende Text ist im Laufe des Jahres in Fragmenten immer mal wieder in meinem Kopf aufgetaucht. Gleichzeitig las ich zwei Bücher. Eines über "eine erotische Ökologie" und ein zweites in dem ein Vegetarier seinen Werdegang zum Jäger beschreibt. Von den Büchern und Erlebnissen in der Natur habe ich mich berühren lassen - aber lest selbst.
Fülle

Frei in der Natur stehender Esskastanien-Baum (Castanea sativa) also die gepflanzte, angebaute Kastanie. Früher auch im Murgtal stark genutzte Baumart. Heute nur noch von wenigen Menschen genutzt, vor allem die Früchte werden gesammelt. Wer mehr über diese beeindruckende Baumart wissen möchte kann dies bei meiner Kastanien-Tour am 18.10.2020 tun. Genaueres könnt ihr auf meiner Homepage erfahren. Für mich ist das die interessanteste Baumart, man könnte fast von einer Liebesbeziehung sprechen. Aber, ich schweife ab. Auf dem Foto sieht man die üppige Fülle der Kastanie. Sehr viele fast reife Früchte hängen am Baum. Der Baum produziert weit mehr Kastanien als für die Arterhaltung notwendig wäre. Jetzt die Frage " Warum macht er das"? Gut ein Drittel der Früchte würden locker reichen. Selbst wenn ein Großteil von Tieren (Wilde Sau, Eichhörnchen...) gefressen wird und der Rest auf nicht optimalen Boden fällt und nicht keimen kann. Es ist eigentlich immer noch zu viel. Eine gute Erklärung hat mir gestern ein Kind gegeben, am Rand einer "Draußen-Geburtstagsfeier". Das Kind (6 Jahre) sagte nach kurzem Überlegen: " das hat der liebe Gott so gemacht damit wir Menschen auch viele leckere Kastanien essen können" . So jung und schon so weise! Diese, für die Kleine, völlig klare Erklärung hat mich berührt.
Als Kind ist einem doch die Welt ziemlich klar - und wenn man stirbt, weiß man gar nichts
(Hans-Joachim Kulenkampff)
In meinen Worten klingt das nicht so klar und eindeutig. Dennoch denke ich dass die Fülle, der Überfluss in der Natur völlig normal ist. Aber auch der absolute Mangel wenn der Regen ausbleibt oder die Bestäubung nicht funktioniert weil Insekten fehlen. Andreas Weber schreibt dazu in seinem Buch "Lebendigkeit - eine erotische Ökologie" folgenden Satz:
Wir müssen uns mit der Idee anfreunden, dass in der Natur das Gegenteil von effizienter Sparsamkeit herrscht: maßlose, sinnlose Verschwendung, .... Bei Warmblütern wie uns auch gehen mehr als neun Zehntel der Nahrungsenergie allein für die Körperwärme verloren. Die Energiebilanz ist ähnlich desaströs wie die eines nicht wärmegedämmten Fertighauses aus den 50er-Jahren
Staaten

Wespennest, vom Dachs ausgegraben. Nur noch Teile der Nesthülle sind übrig geblieben, und einige wenige Tiere des Volkes. Ein paar haben noch versucht das Nest zu reparieren. So gefangen waren sie in ihrem Trieb das Volk zu beschützen und die Art zu erhalten. Ein völlig sinnloses Tun. Die Königin sowie die Wabe mit den Jungköniginnen waren vom Dachs wohl verspeist. Für einen Neuanfang schon zu spät im zeitlichen Jahreslauf. Für mich sind solche großen Nester (auch und gerade von Wespen) immer ein sehr spannender Zeitvertreib. Mit welcher Präzision und mit welchem Fleiß alle staatenbildenden Insekten täglich einfach ihren Job machen. Um den Staat voranzubringen, die Art zu erhalten. Es gibt keinen Egiosmus, keinen Neid. Wenn man so drüber nachdenkt nicht die schlechteste Art zu leben. Auch bei dem folgenden Bild sieht man dass alle an einem Strang ziehen. Ameisen nutzen einen abgerissenen Weintrieb um über den Weg zu kommen. So müssen sie keine Höhen und Tiefen überwinden. Sehr effektiv. Und für mich berührend.

Die folgenden Fotos zeigen höchstwahrscheinlich eine Sandbienen-Art. An einem sonnigen Platz mitten in einem Kinderspielplatz. Völlig unbeeindruckt was die kleinen Menschen um sie herum treiben gehen sie ihrem Tagwerk nach. Als Solitärbienen haben sie keine Arbeiterinnen. Alle Königinnen graben eine Röhre, legen Eier und Pollenvorrat hinein und verschließen es mit Erde oder Pflanzenmaterial. Spannend dabei, dass das Ei das zum Schluß vorne in die Röhre gelegt wird als erste Biene aus der Röhre ausfliegt.


Jäger und Gejagte

Auf der Jagd nach dem Piratenschatz waren gestern 5 Hinweise versteckt, die zusammen ein Wort ergeben. Die meisten der Kinder gehen noch in den Kindergarten. Waren aber sofort und von Anfang an bereit die Jagd anzunehmen. Kartenhinweise, Beschreibung und Kompass haben schließlich dazu geführt, dass der Schatz gefunden wurde und wir am Lagerplatz den Schatz gerecht verteilen, und uns stärken konnten. Obwohl der Wettergott zwischendurch einen Schauer über uns schickte tat das der guten Stimmung keinen Abbruch. Es hörte auch deshalb relativ schnell auf zu regnen weil die Kinder einen wirklich überzeugenden Sonnentanz darboten. Da konnte Petrus gar nicht anders. Foto zeigt den Lagerplatz.

Steckt in uns allen noch der uralte Jäger? Oder warum sind wir so schnell bereit irgendetwas hinterherzujagen? Das sind Fragen die ich mir häufig stelle. Und seit ich von guten Freunden ein Buch geschenkt bekam mit dem Titel: "Ich esse, also jage ich" - "wie ich vom Vegetarier zum Jäger wurde" , treiben mich diese Fragen noch mehr um. Je mehr man sich damit beschäftigt desto weiter fächert sich das Thema auf. Anfang September hatte ich zusammen mit einer Schwarzwald-Guide-Kollegin und anderen Projektbeteiligten das große Vergnügen eine Staatssekretärin und zahlreiche Pressevertreter zum Thema "Wilde Sau" zu führen. Bei dem Thema "Wilde Sau" geht es um die Vermarktung von Wildschweinfleisch. Ein sehr gesundes, leckeres Fleisch. Leider wissen viele Menschen nicht dass es so schmackhaft ist und genauso zu verarbeiten wie Fleisch vom Hausschwein. Mitte Oktober bieten wir zu diesem Thema ein Familienführung an, diese ist bereits ausgebucht. Das Thema scheint also zu interessieren. Ich bin gespannt welche Fragen bei der Führung auf uns zukommen und wie sensibel das Thema Jagd tatsächlich ist. Ich bin sicher dass es auch bei diesem Termin viele Berührungen geben wird.
Wenn der moderne Mensch, die Tiere deren er sich als Nahrung bedient, selbst töten müsste, würde die Anzahl der Pflanzenesser ins Unermessliche steigen. (Christian Morgenstern)
Und wie schnell man vom Jäger zum Gejagten werden kann zeigt das letzte Bild in diesem Beitrag.

Der Eros der Wirklichkeit beginnt mit der Berührung. Es gibt kein Leben ohne Berührung. Ohne Berührung gibt es keine Sehnsucht, keine Erfüllung - und keinen Geist ( A. Weber, Lebendigkeit)
Deshalb, sobald das schlechte Wetter durchgezogen ist, lasst euch berühren. Das geht am besten in der Natur. Also:
RAUS IN DIE NATUR