5. Dezember 2021
Sonntag Morgen, nicht der Berg, eher der Wald ruft. Na worauf warten wir dann noch. RAUS IN DIE NATUR!
Sonn(en)tag
Alle Wetterprogramme die ich angeschaut habe versprechen mir dasselbe. Trocken, kalt (max. 2° gegen späten Vormittag) und vor allem ein wenig Sonne. Das komplette Kontrastprogramm zum vorherigen Tag. Gestern habe ich einen interessanten Text gelesen. Er handelte von Hazrat Inayat Khan, einem indischen Sufi-Meister. Eins seiner Zitate:
Schlafen ist bequem, aber Erwachen ist interessant
Diesen Satz habe ich heute im Wald meditiert. Bin ich schon erwacht, oder schlafe ich noch (oder schon)? Gute Frage! Der Wald ist gerade dabei aufzuwachen. Die Vögel werden aktiv, suchen nach Fressbarem. Die kalte Jahreszeit ist für die meisten der wildlebenden Tiere eine harte, entbehrungsvolle Zeit. - Zu meiner Rechten springt ein Eichhörnchen von einem Baum zum anderen. Vor mir überquert ein einzelnes Reh den Weg. Über mir fliegen drei Kolkraben mit ihrem unverwechselbaren Ruf. Auf einer ehemaligen Sturmwurffläche steht eine sehr spannende Pflanze. Es ist die Wilde Karde. Sie ist ursprünglich im Mittelmeerraum heimisch, ist aber schon sehr lange heimisch bei uns. Sie wurde und wird in der Volksheilkunde verwendet. Ich persönlich finde einfach ihre trockenen Blütenstände so unglaublich schön. Was meint ihr dazu?
Ein wenig Forstwirtschaft oder "geheime Zeichen"
Ab und an werde ich zu forstwirtschaftlichen Themen gefragt. "Was sind das für Plastikröhren um die jungen Bäumchen" oder "was bedeuten die Zeichen an den Bäumen"?
Nun, die Plastikröhren sind nicht immer aus Plastik. Es gibt sie auch als abbaubare Versionen. Es sind sogenannte Wuchshüllen. Damit bekommen die gepflanzten Bäumchen einen Wuchsvorsprung vor der Begleitflora (Brombeeren usw) und sind vor Wildverbiss oder Fegeschäden durch Wild (Rehböcke oder Hirsche reiben das Geweih an den jungen Bäumen) geschützt.
Sie werden in aller Regel nach ein paar Jahren abgebaut, sobald die Pflanzung nicht mehr durch Wild und Überwucherung gefährdet sind.
Punkte am Baum markieren einen Z(ukunfts)-baum, also ein Baum der bis ins hohe Alter stehen bleiben soll. Er steht für den Wald wie er in 30-70 Jahren aussehen soll. Schräge Striche am Baum signalisieren Bäume die gefällt werden sollen.
Wenn ein Baum mit wellenförmigen Zeichen bemalt wurde handelt es sich um einen Biotop-Baum. Er dient Tieren als Lebensraum und darf stehen bleiben und natürlich sterben.
Linien um einen Baum kennzeichnet eine Grenze (Waldbesitzer, Waldabteilungen usw.) Doppelstriche auf einer Seite des Baumes markieren eine Rückegasse oder Seiltrasse.
Bild oben zeigt den Biotopbaum in seiner vollen Größe.
Oben: Grenzbaum
In der Nähe des Biotopbaums mache ich meine Pause und trinke einen warmen Tee mit eigenem Honig. Was Besseres kann ich mir bei meinen Touren in der kühlen Jahreszeit nicht vorstellen. Naja, so kühl war es dann heute Morgen doch nicht. Als ich vor Sonnenaufgang losging waren es bereits 4 Grad auf dem Thermometer, und die Sonne konnte man am Anfang auch nur erahnen. Aber die Überraschung des Tages war dann doch der Schneeregen, gerade dann als ich am weitesten entfernt von daheim war. Völlig in meinen Gedanken versunken erregte etwas kleines, unscheinbares vor mir am Boden meine Aufmerksamkeit. Es war definitiv nicht der Stern über Bethlehem. Aber schaut selbst, hättet ihr so etwas feines, zartes auf dem kalten Winterboden erwartet?
Es war eine kleine Efeu-Blütendolde die der Wind wohl auf den Boden geworfen hat. Efeu blüht sehr spät im Jahr, kann sehr alt werden (angeblich über 200 Jahre) und wächst am besten im Schatten. Eine der letzten Nektarquelle für Insekten und Schmetterlinge. Aber wenn er am Baum zu stark überhandnimmt und ein starker Wind aufkommt, evtl. noch auf feuchterem Boden, dann kann das passieren was auf dem nächsten Bild zu sehen ist. Der Baum fällt einfach um.
Drehwuchs an einem Baum, sehr eindrücklich dargestellt. (Foto unten)
Klima - ich höre immer nur Klima
Der Schneeregen hat aufgehört. Er ist jetzt in Regen übergegangen. Das tut meiner guten Stimmung aber keinen Abbruch. Weil es überhaupt kein schlechtes Wetter sondern nur schlechte oder unangepasste Kleidung gibt. Und ich bin passend angezogen, auf (fast) alles vorbereitet. Ihr wisst doch, Regen ist flüssiger Sonnenschein.
Zu meinem letzten Blogbeitrag habe ich einiges an Feedback erhalten. Meist positiv, und die wenigen negativen Stimmen erlaube ich mir mit dem Zitat von Cicero zu kontern:
Das eigene Gewissen ist mehr wert, als die Meinung der anderen.
Oder mit den Worten von Albert Einstein:
Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten.
Und bitte nicht Klima mit Wetter verwechseln. Während das Wetter das ist was im Moment (morgen, übermorgen...) draußen passiert, beschreibt das Klima das Wetter das über einen langen Zeitraum vorherrscht oder vermutlich vorherrschen wird. Klima wird das Thema sein dass uns vermutlich jetzt und in der Zukunft am meisten beschäftigen wird. Und es wird mich persönlich auch sehr beschäftigen, weil es in so viele meiner Interessen, neben meinem persönlichen Leben und dem Leben der folgenden Generationen, hineinspielt.
Weitblick und ein versöhnlicher Ausklang der Tour
Gestern erhielt ich ein Video auf WhattsApp. Darin wurden vier brennenden Kerzen gezeigt. Die erste stand für den Frieden, die zweite für den Glauben und die dritte für die Liebe. Alle drei wurden nacheinander ausgelöscht. Also kein Friede, kein Glaube und keine Liebe mehr auf der Welt. Dennoch die vierte Kerze brannte unentwegt weiter. Und diese Kerze stand für die Hoffnung. Solange diese vierte Kerze weiterbrennt können alle drei anderen Kerzen an ihr entzündet werden. Ein gutes Statement in der heutigen Zeit wie ich finde.
Ich stehe im Regen und schaue in die Landschaft und bin einfach glücklich im Wald sein zu können, in die Weite schauen zu können. Ganz in mir, ganz bei mir. Das solltet ihr euch einfach so oft wie möglich gönnen. Einfach sein, ohne Druck und ohne nach dem Grund oder nach der Absicht zu fragen. - So sah mein "Weitblick" aus.
Fast am Ende der Tour hatte der Wettergott doch noch ein Einsehen und lies die Sonne durch die Wolkendecke scheinen. Ich werte das mal als Hoffnungssignal für die kommende Zeit.
Bleibt oder werdet alle gesund!