Holz und Vorurteil

30. Oktober 2022

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In den letzten Wochen und Monaten ging ich oft raus. Auf die Wiesen, in den Wald. Vieles erlebt, vieles wahrgenommen und beobachtet. Hab aber alles für mich behalten, auch weil ich der Meinung bin, dass sowieso schon viele Bilder, Videos und Texte im Umlauf sind. Davon habe ich mich versucht abzuschirmen, am besten gelingt mir das, ihr ahnt es schon, immer wenn ich RAUS IN DIE NATUR! gehe. Von meinem letzten "Abenteuer in der Wildnis" möchte ich euch heute berichten.

Beobachtet?

Kennt ihr das auch, wenn man durch den Wald geht, auf jeden Schritt achtet, sehr konzentriert ist, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt meint man, man wird beobachtet? Man hört nichts, man kann auch nichts erkennen und trotzdem hat man das Gefühl da ist "Etwas". Nun bin ich kein ängstlicher Mensch, schon gar nicht draußen in der Natur. Ich blieb oft stehen, hab verhört, auf Geräusche geachtet. Auch die Umgebung immer wieder abgesucht, aber nichts zu erkennen. Trotzdem blieb der Schauer, der mir über den Rücken lief. Dieses Gefühl hatte ich schon ein paar Mal in meinem Leben, ich kenne es sehr gut. Und als ich noch ein Stück weiterging sah ich etwas, was meinen Schauer noch verstärkte. Es war eine Fährte in einem feuchteren Abschnitt eines Maschinenweges. Direkt vor dieser Fährte war eine Rehfährte. Eine menschliche Spur konnte ich nirgends entdecken. So sah diese Spur aus:

Ob es allerdings GW852m war, oder ein anderer seiner Art, oder einfach ein sehr großer Hund kann ich leider nicht sicher sagen. Der Abdruck war deutlich über 10cm groß, viele Parameter für eine Wolfsfährte waren erfüllt, einige aber auch nicht. Deshalb bleibt mir nur mein Gefühl.

Die vielen Bäume und die wenigen Menschen - die machen den Wald so schön (Otto Weiß)

Brauchen wir Förster?

"Am besten hat es die Forstpartie, denn der Wald wächst auch ohne sie" (Wilhelm Busch). Das stimmt natürlich auf der einen Seite, auf der anderen Seite wäre die Frage zu stellen "Wie der Wald dann wächst, ohne Förster". Deshalb möchte ich euch zu einem kleinen Gedankenexperiment einladen. Stellen wir uns einfach mal vor, ab dem 01. Januar 2023 wird in jedem Wald die Bewirtschaftung eingestellt. Also komplett, keine Holzernte, keine Jagd, keine Wegunterhaltung, usw. Was würde passieren? Zunächst mal nicht viel. Im Laufe des Jahres 2023 würden die Wege immer schlechter passierbar. Sie würden mehr und mehr zuwachsen, bei Starkregen ausgeschwemmt werden, Bäume bei Sturmereignissen über die Wege stürzen und nicht aufgeräumt werden. Wildschäden auf Wiesen und Feldern würden vermehrt auftreten. Bis hin zu kompletten Ernteausfällen. Brennholz würde knapp, Wildfleisch auf der Speisekarte würde verschwinden oder müsste importiert werden.

Im Jahr 2024 hat die Afrikanische Schweinepest alle Wildschweine und Hausschweine dahingerafft. Ihre Bekämpfung wurde von Förstern und Jägern geschultert. Der Aufenthalt in Wäldern wird nicht nur in stürmischen Zeiten eine Mutprobe, sondern auch in windstillen Momenten. Die Verkehrssicherheitspflicht wird nicht mehr von den Förstern geleistet. Trinkwasserquellen können nicht mehr kontrolliert und gesäubert werden, sie sind schlicht nicht mehr richtig erreichbar. Oder wenn dann nur mit einem hohen technischen Aufwand. - Sägewerke, Zimmereien, Schreinereien, kurz alle holzverarbeitenden Betriebe müssen in Kurzarbeit. Die Lager sind mittlerweile leer, Importware zu teuer oder nicht immer verfügbar.

Das Jahr 2025 zeichnet sich durch extreme Kalamitäten aus. Fichten gehen am Borkenkäfer ein, großflächig. Ebenso die Tanne in mittelalten und alten Beständen. Die Buche kämpft mit der immer schlimmer werdenden Trockenheit, Eschen gehen am Eschentriebsterben ein. - Mehr als 1,1 Millionen Menschen werden arbeitslos. So viele arbeiten bis dato in der Forst-, und Holzwirtschaft. Zum Vergleich, in der Automobilindustrie waren es 2021 ca. 786.000 Beschäftigte.

Mit diesen Horrorszenarien möchte ich es auch bewenden lassen. Die Ausführungen sind alle fiktiv, aber trotzdem nicht weniger realistisch. Wie gesagt ein Gedankenexperiment.

Nichts ist für mich mehr Abbild der Welt und des Lebens als der Baum. Vor ihm würde ich täglich nachdenken, vor ihm und über ihn... (Christian Morgenstern)

Es gab schon immer heiße, trockene Sommer

Solche Aussagen höre ich immer wieder, und ja, das stimmt. Zum Teil. Es gab immer schon heißere, trockenere Sommer als man es gewöhnt war, aber die Häufigkeit der heißen Tage in Zusammenhang mit fehlendem Regen gab es noch nie. Zumindest solange die Wissenschaft es nachvollziehen kann. In den vergangenen 650.000 Jahren gab es noch nie so hohe Kohlenstoffdioxidwerte wie in den letzten 70 Jahren und die Durschnittstemperatur war noch nie so hoch wie in den letzten 70 Jahren. Wir hatten in unserer Gegend über den Sommer gut 3 Monate so gut wie keinen messbaren Niederschlag, der Oberboden war trocken wie eine Rolle Klopapier. Dadurch sind vor allem junge Bestände und Bestände in Südlagen mit wenig Oberboden oder steinigem, felsigen Untergrund schlicht vertrocknet. Ihr wollt Beweisfostos? Bitte:

Tannen und Kiefern vertrocknet.

Stechpalme (Ilex aquifolium) hatte eine Wuchshöhe von 10 Metern erreicht, leider auch vertrocknet. Die Stechpalme gilt als skleromorphe (austrocknungstolerante) Art.

Die Förster sägen gesunde Bäume um

Das stimmt, nur so kann man tragfähige Balken und Sparren für Häuser sägen. Tische und Stühle bauen, die nicht nach 6 Monaten zusammenbrechen weil das Holz krank oder alt war. Aber warum sägen die Förster gesunde Bäume um? Weil sie anderen Bäumen im Weg stehen. Könnte man so sagen. Oder weil sie ihr Alter erreicht haben an dem sie noch gesund sind und für eine hochwertige Verwendung herangezogen werden können. Nun möchte ich versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, was im Übrigen eine Super Überleitung zum Thema ist.

Um die nächste Baumgeneration auf die Fläche zu bekommen gibt es ein paar Möglichkeiten. Hier bei uns gibt es so gut wie keine großflächigen Pflanzungen mehr, meist nur dann, wenn durch Sturm oder sonstiger Kalamität die Fläche geräumt werden muss und keine passenden Baumarten in der näheren Umgebung stehen. Ansonsten betreiben wir die sogenannte Naturverjüngung. Das bedeutet, dass die jungen Bäume unter dem Schirm der alten, vorhandenen Bäume heranwachsen. Somit ist der Boden immer mit Bäumen bedeckt und kann nicht so leicht ausgeschwemmt werden. Also ökologisch und ökonomisch ein absoluter Vorteil. Was brauchen Bäume zum leben? Nun, das ist relativ einfach: Boden, Wasser und Licht. Der Boden hält sie fest und liefert Nährstoffe, Wasser sollte klar sein und Licht brauchen sie zur Photosynthese. Photosynthese: aus Licht, Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO²) bildet der Baum Glukose (Zucker) und Sauerstoff. Die Blätter und Nadeln sind demnach kleine Kraftwerke.

Wenn man bei einem Baumbestand die Verjüngung einleiten möchte müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Wie geht man dabei vor? Man nimmt Bäume aus dem Bestand heraus die wertvollere Bäume bedrängen, d.h. die diesen sogenannten Zukunftsbäumen oder auch Wertholzstämmen Licht wegnehmen. Die anfallenden Holzsortimente sind nicht besonders dick und auch meist nicht besonders gut bezahlt. Sie sehen so aus wie diese auf dem folgenden Foto:

Der Wald sieht unmittelbar nach dem Eingriff dann so aus:

Man kann gut die Stellen erkennen an denen das Licht bis auf den Boden kommt.

Ein Bestand der vor ca. 5 Jahren durchforstet wurde sieht dann ungefähr so aus:

Und wenn man genauer hinsieht, und sich ein wenig bückt, kann man die beginnende Naturverjüngung feststellen.

Kleine Tannen und Buchen wachsen in den Lichtinseln heran. Und so sieht ein Bestand aus, bei dem vor einigen Jahren die Verjüngung eingeleitet wurde:

Man kann bei dieser ökologisch und ökonomisch sehr wertvollen Bewirtschaftungsform von Dauerwald sprechen. 

Zweites Leben

Nachdem die Pflanze in unserem Vorgarten schon verblüht war und auch schon sehr ausgetrocknet, hab ich sie trotzdem stehen lassen. Vor allem dass sie sich aussamen kann und dann im nächsten Jahr wieder blühen kann. Umso schöner war ihre "Reaktion" auf den ergiebigen Regen der uns im September zu Gute kam, und damit auch der Pflanze. Sie hat, wie einige andere Pflanzen auch, noch einmal eine Blüte bekommen.

Das lässt mich zum Schluß kommen, mit folgendem Zitat, von dem ich leider den Verfasser nicht kenne.

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn er verstanden hat, dass er nur ein Leben hat.