Patet porta - magis cor

28. März 2021

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Patet porta - magis cor, dieser Spruch der dem heiligen Augustinus zugesprochen wird, und unter anderem von den Benediktinern übernommen wurde, kam mir diese Tage in den Sinn. Übersetzt bedeutet er: die Tür steht offen - mehr noch das Herz. Im Titelbild ist auch die Tür offen. Ob auch das Herz offen ist versuche ich im folgenden Beitrag zu ergründen. So, genug angedeutet. Macht schon, geht endlich RAUS IN DIE NATUR!

Freude an Erbrochenem

Titelbild: Blick durch die Reinigungstür in eine Steinkauzröhre. Man kann das Eingangsloch erkennen und daneben Lüftungslöcher. Es handelt sich hier um eine Röhre mit Marderschutz, d.h. äußeres Eingangsloch und (hier sichtbar) inneres Eingangsloch sind versetzt angebracht.

An den vergangenen drei Wochenenden waren wir zu zweit in den Streuobstwiesen unterwegs um kurz vor der "Saison" die restlichen Steinkauzröhren zu kontrollieren. Wir, das ist der hiesige Streuobstmanager und Baumkontrolleur und ich. Wenn mir irgendjemand vor ein paar Wochen erzählt hätte, dass ich mich mal über Gewölle von Käuzen freuen würde, dann hätte ich ihn (oder sie) nach dem geistigen Gesundheitszustand gefragt. Und auch jetzt gerade belustigt es mich doch ein wenig, wie zwei erwachsene Männer ihre Freude an den unverdaulichen Nahrungsresten (Haare, Federn, Knochen usw) oder an aufgefundenem Kot ihre, im wahrsten Sinne, "Scheißfreude" haben können. Um es gleich vorweg zu nehmen, wir haben tatsächlich beides gefunden. Und das obwohl das "Verhören" durch einen Eulenexperten vor ein paar Wochen wenig ergiebig war. Damit ihr euch ein Bild machen könnt hab ich auf dem nächsten Foto ein "Belegexemplar" abfotografiert.

Auf der Suche nach der nächtlichen Athene

Nächtliche Athene, so die deutsche Übersetzung des lateinischen Namens des Steinkauzes (Athene noctua). Aufgrund seines manchmal komischen Verhaltens wird er auch Kobold der Nacht genannt. Eine mit guten 20 Zentimetern eher kleine Eulenart, mit einem, wie ich finde, schönem Gesicht und unglaublich schönen Augen. Aber seht selbst:

Das obige Bild und auch das folgende hat Stefan Eisenbarth gemacht. Stefan ist vielen Menschen bekannt weil er sich unter anderem um die Beringung der Störche usw kümmert. Er hat sehr viel Erfahrung in diesen Bereichen und ist immer ein guter Ansprechpartner wenn ich mal wieder eine Frage in Naturschutzdingen habe. Ich kenne ihn seit vielen Jahren als Kollegen im ehrenamtlichen Naturschutzdienst. Beim zweiten Bild lautet die Frage an euch, welches der abgebildeten Tiere wohl die schlechteste Laune hat.

Ich persönlich glaube ja der ganz links. Nun, warum machen wir die ganze Aktion? Der Steinkauz war bis in die sechziger/ siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein sehr verbreiteter Vogel auf den Streuobstwiesen unserer Region. Vor allem durch Verlust des Lebensraums und der Bruthöhlen in alten Hochstamm-Obstbäumen ging sein Bestand kontinuierlich zurück. Er frisst vor allem Feldmäuse, Ohrwürmer (Ohrenklemmer), verschieden Käferarten und Regenwürmer. Deshalb benötigt er ein Jagdrevier in dem er ganzjährig kurz gemähte (oder gefressene) Grasflächen vorfindet. Also etwa Weiden oder auch Sonderkulturen wie Erdbeerfelder. Und er braucht Baumhöhlen. Am liebsten in Apfelbäumen oder Birnbäumen, je älter umso besser. Weil aber diese Altbäume immer seltener werden und die Streuobstwiesen nicht mehr so gepflegt und unterhalten werden wie früher, wurden Brutröhren bzw. Brutkästen aufgehängt. Das folgende Bild zeigt eine solche.

Diese Röhren müssen kontolliert und gereinigt werden. Damit versuchen wir durch die Streuobstinitative Kuppenheim einen Ausgleich zu den verbauten Flächen zu erreichen. Diese Flächen wurden und werden durch die weitergehende Wohnbebauung und Gewerbeflächenausbreitung für die Natur nicht mehr nutzbar.

Wie konnte das passieren?

Was mich, zugegebenermaßen, immer traurig werden lässt ist unser Umgang mit und in der Natur. Müllablagerungen, weggeworfene Flaschen usw. wobei ich mich dabei immer frage warum das alles so passiert? Wann und wo ist unsere Gesellschaft falsch abgebogen? Heute morgen sehe ich bei einem Förstern im Status bei WhattsApp 13 Bilder über Müll im Wald. Und das ist sicher nur die Spitze des Eisberges. Wie tief muss ein Mensch sinken um Müll, Bauabfälle, Flaschen usw einfach in der Natur zu entsorgen.

Ein weiterer Punkt ist die Arroganz wie wir mit dem Erbe unserer Vorfahren umgehen. Streuobstwiesen, die in körperlich brutal anstrengender Weise der Natur abgetrotzt wurden, werden von uns verwahrlosen lassen als ob es kein Morgen gibt. Wir reden von Nachhaltigkeit, Klimawandel und Generationengerechtigkeit. Und sind noch nicht mal imstande die vergleichsweise kleinen eigenen Flächen in Ordnung zu halten. Auch dadurch gehen Arten in der Natur verloren. Bei Tieren und Pflanzen. Nachhaltigkeit, ein Begriff den ich als ausgebildeter Förster immer eingetrichtert bekommen habe, stammt aus der Forstwirtschaft. Hans Carl von Carlowitz hat diesen Begriff 1713 erstmalig formuliert. Mir scheint, viel dazugelernt haben wir in manchen Bereichen nicht.

In Zeiten wie diesen ist dem Menschen kein Opfer zu groß, wenn es von anderen gebracht wird. (B. Graham)

Was öffnet das Herz?

And into the forest I go to lose my mind and find my soul  (Also gehe ich in den Wald um meinen Verstand zu verlieren und meine Seele zu finden)

Was John Muir, der "Erfinder" der us-amerikanischen Nationalparke damit ausdrücken will kann ich persönlich gut nachvollziehen. Bei mir wird das Herz geöffnet wenn ich im Wald oder den Streuobstwiesen arbeite, bei meinen Bienen beschäftigt bin oder einfach nur absichtslos in die Natur gehe. Oder wie J. Muir sagte "bedingungslos". Er schrieb später:

Ich ging hinaus zu einem Spaziergang und beschloss dann, bis zum Sonnenuntergang draußen zu bleiben, denn ich stellte fest, dass Hinausgehen in Wirklichkeit Hineingehen war.

So ist es bei mir eben auch, wenn ich draußen bin, dann bin ich "drinnen". Nehme wahr, sehe und erkenne. Und die Bilder fallen mir geradewegs zu.

Bockkäfer in alter Eiche. Käfer ausgeflogen.

Mehrfamilienhaus in einer Kirsche

Braunfäule in einem alten Obstbaum, die Cellulose wurde durch einen Pilz abgebaut. Zurück bleibt das würfelförmige Lignin, also der Stoff der die Zellwände in den Bäumen verholzen lässt. Man kann gut die haltbareren Jahrringgrenzen als gerade Bänder erkennen.

Abschließend noch ein Zitat dass Alexander von Humboldt an Johann Wolfgang von Goethe schrieb:

Die Natur muss gefühlt werden

Er meinte weiter, dass diejenigen, die nur die Pflanzen, Tiere und Steine klassifizieren, um die Welt zu verstehen, diesem Ziel niemals nahe kommen werden!