10. Mai 2020
Manchmal, wenn ich so durch den Wald streife, habe ich ein komisches Gefühl. Aber es ist keine Angst, es ist vielmehr das Gefühl beobachtet zu werden. Und zwar von solchen "Wesen". Welche Wesen ich meine, erzähle ich euch in dieser kleinen Geschichte.
Gott schläft im Stein, atmet in der Pflanze,
träumt im Tier und wacht auf im Menschen (Indische Weisheit)
Gestern abend war ich mal wieder auf der Jagd, ich saß entspannt auf meiner Leiter und wartete was passiert. Um es abzukürzen - es passierte NICHTS. Zumindest nicht was irgendetwas mit Jagd zu tun hätte. Ich beobachtete in alle Richtungen, zumindest in der Horizontalen. Und als ich dann einen Blick nach oben wagte, sah ich in der schütteren Belaubung der Kiefer (Pinus sylvestris) seltsame Gebilde. Etwas was da eigentlich nicht hineingehörte. Es waren Misteln. Diese sind halbparsitische Pflanzen,die durch Vogelkot auf die Bäume kommen. Die Vögel fressen die Beeren und koten sie dann auf die Äste. Dort bleiben sie kleben, weil sie sehr zähen Schleim haben. Lateinisch heißt die Pflanze viscum alba, zu deutsch in etwa mit weißem Schleim zu übersetzen. Um auf die "Wesen" zurück zu kommen, jeder der Asterix gelesen hat weiß, dass die Druiden mit goldenen Sicheln Mistelzweige abschneiden. Sie sollen dem Zaubertrank, und damit den Galliern; übernatürliche Kräfte verleihen. Und auch wenn ich keinen Druiden erkennen konnte, war das Bild gegen den Abendhimmel irgendwie mystisch. Findet ihr nicht auch?

Baumwesen der besonderen Art
Mit offenen Sinnen durch den Wald zu gehen ist für viele Menschen in der heutigen Zeit nicht immer einfach. Man ist abgelenkt durch gute Gespräche, Kinderbeaufsichtigungen oder weil man mit Kopfhörern durch den Wald geht. Wenn man mit mir durch den Wald geht kann es passieren, dass ich alle paar Meter stehen bleibe. Vorausgesetzt es gibt was spannendes oder kurrioses zu entdecken. Was ich heute entdeckt habe möchte ich euch anhand von den folgenden Bildern zeigen.
Lass deine Augen offen sein, geschlossen deinen Mund,und wandle still,
so werden dir geheime Dinge kund (Hermann Löns)

Diese abgestorbene Kiefer hatte sage und schreibe 14 Löcher, die der Specht ins Holz getrieben hat. Sozusagen ein Plattenbau im Wald.

Hierbei könnte es sich um Rindenkrebs an einer Buche handeln. Buchen besitzen eine relativ dünne Borke und sind deshalb auch anfällig gegen plötzliche Sonnenbestrahlung. Wenn z.B. ein Baum der vorher Schatten spendete gefällt wird kann es sein, dass die Buche darauf mit Sonnenbrand reagiert.

Da hat doch bestimmt ein Waldgeist den Stamm verdreht. Nein, auch wenn es so aussieht. Dafür ist entweder ein Kronendefekt, Wurzeldefekt oder schlicht ein genetischer Defekt verantwortlich. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Drehwuchs zu ca 70% vererbt wird.

Diese Rotbuche (Fagus sylvatica) ist mit Baumpilzen übersät. Ein Zeichen dafür, dass sich ihr Leben dem Ende nähert.

Diese oberiridische Wurzel der Buche zieht sich auf ca 5-7 Metern hangparallel. Damit sichert sie sich die Wasserversorgung und sichert sich gegen abrutschen ab.

Baum mitten im Bach, Baumpilze künden das baldige Ende an. Flechten auf den Ästen deuten auf eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit hin. Die Flechten betreiben dort oben Photosynthese und nehmen die Nährstoffe und die Feuchtigkeit aus der Luft.
Wald - ein mystischer Ort
Bei all diesen Bildern kann man verstehen, dass die Menschen früherer Zeiten Ehrfurcht, manchmal auch Angst vor dem Wald hatten. Man stelle sich vor: Es dämmert schon, der Wald ist dichter als heute, nur ein schmaler Pfad führt durch den Wald. Der Weg ist nur noch schwer zu erkennen. Einzelne Geräusche sind jetzt besser zu hören. Da ein Knacken, dort ein seltsamer Schrei (heute würden wir einen Kauz erkennen), der Wind fängt sich in den Kronen der Bäume. Und pötzlich steht da ein Baum der anders aussieht als die anderen Bäume. Ist es gar der Holländer Michel, das Glasmännlein oder das Rockertweibel? Völlig egal, die Angst ist groß. Die panikartige Flucht, wie sie in vielen Sagen und Märchen dargestellt wird waren sicherlich sehr real. Auch heute kenne ich viele Menschen, die Angst haben abends oder nachts in den Wald zu gehen. Das Dunkle ist aber nur dann furchteinflösend wenn man nicht mit ihm vertraut ist. Wenn ihr also auch einmal in der Dunkelheit in den Wald wollt, euch aber nicht traut, sprecht mich gerne an - wir können das gemeinsam machen. Gemeinsam ist vieles einfacher.