Schwarzwald-Guide auf Abwegen

6. Mai 2020

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Es gibt so Tage, da kann ich mich einfach nicht entscheiden was ich unternehmen will. Die Straße zum Kaltenbronn ist gesperrt, im Rebland waren wir erst vor kurzem und in Kuppenheim im Wald kennen wir gefühlt auch jeden Weg. Was also an solchen Tagen tun? Davon handelt diese kurze Geschichte.

Ein paar Stunden am "Meer"

"Wo waren wir denn schon lange nicht mehr?" frage ich meine Frau. "Am Meer" war ihre lapidare Antwort. Stimmt,da hatte sie absolut recht. Dennoch, in der heutigen Zeit können wir das nur virtuell oder in den Träumen tun. Nach einer Weile des Überlegens kam mir eine Idee und so machten wir uns auf den Weg. Um es gleich vorwegzunehmen, das mit dem Meer, das wurde nichts. Aber auch in der näheren Umgebung kann man schöne Dinge entdecken und entspannen.

Der Kerl im Nest machte auf uns einen total entspannten Eindruck, und das, obwohl  er nur wenige Meter vom Straßenverkehr entfernt war. Seine Toleranz war wohl etwas größer als meine. Denn mehr als einmal wurden wir von Autofahrern darauf aufmerksam gemacht, dass sie ein Auto mit besonders vielen PS ihr eigen nennen das zusätzlich mit einer besonders lauten Auspuffanlage "gesegnet" ist. Zugegeben, mein Toleranzlevel war zu diesem Zeitpunkt nicht besonders hoch.

Die Natur beruhigt mich

Wir gingen von der Straße weg, kamen in den Auenwald. Der ist für mich im Moment noch gut zu durchwandern, denn auch dort gibt es später im Jahr etwas, wofür ich absolut null Toleranz aufbringen kann - Stechmücken! "Schnooge" wie sie bei uns im Volksmund heißen. Die Viecher kann ich absolut nicht leiden. Obwohl ich weiß, dass sogar sie einen ökologischen Nutzen haben . Kaum 100 Meter weg von der Straße war mein Puls wieder auf normal und ich entspannte mich und konnte endlich die schöne Landschaft genießen. Ich glaube ich stand beinahe 10 Minuten an dem kleinen Seitenarm des Rheins.  Das leise, sanfte, beruhigende Plätschern hatte mich in seinen Bann gezogen. 

Wir gingen nun Richtung Rhein. Ich persönlich glaube ja nicht an Zufälle, aber als ich das vorbeifahrende Schiff sah, war ich für einen Moment sprachlos. Der Grund meiner Sprachlosigkeit war der Name des Schiffes. Man kann ihn auf meinem Bild nicht richtig erkennen, deshalb beschreibe ich, was ich sah.

Der Name des Schiffes war: "Tolerantie" zu deutsch, ihr wisst es bestimmt schon - "TOLERANZ", Ok. Das saß, ich meinte meine Lektion für diesen Tag gelernt zu haben. Toleranz oder anders ausgedrückt Duldsamkeit. Wir verbrachten einige Zeit am Wasser. Klar, es war kein See und von einem Meer war es weit entfernt. Für mich war es zu diesem Moment einfach ein schönes Plätzchen. Die Sonne schien, das Wasser plätscherte und ich übte mich darin die Situation zu "erdulden". Je länger ich im Gras saß, desto gelassener und "toleranter" wurde ich.

Beeindruckende Fülle berührt mich

Als wir weiter wanderten sahen wir viele Dinge die mich ehrfürchtig werden ließen. Die pure Fülle an Leben im Auwald ist schon sehr beeindruckend. Kaum ein anders Biotop, so denke ich, bringt so viele Arten auf der Fläche zusammen. Und auch der Nährstoffreichtum zeigt sich nicht zuletzt an der flächig vorkommenden Brennessel.

Vielleicht ist es für mich einfach die Nähe zum Wasser die mich berührt. Als ich darüber sinnierte was mich berührte, kam mir eine Passage aus einem Buch von Andreas Weber "Lebendigkeit" in den Sinn.

Immer wieder hat das Wasser mir gezeigt: Der Eros der Wirklichkeit beginnt mit der Berührung. Es gibt kein Leben ohne Berührung. Ohne Berührung gibt es keine Sehnsucht, keine Erfüllung - und keinen Geist.

Also, dann lassen wir uns berühren. Von Eindrücken und Bildern die ich hier zum Betrachten poste. Wie das vom Altrheinarm mit Weichholzaue

Oder den "gewöhnlichen Schneeball"

Und natürlich sollten wir uns auch von der Liebe berühren lassen. Liebe zu und zwischen Menschen. Zu Tieren, Bildern, Texten und Büchern. Und bei der Liebe zwischen Menschen sollte es egal sein, wer wen wie liebt, und warum. Ob sich Frau und Mann lieben, Frau und Frau oder Mann und Mann. Die Toleranz sollten wir aufbringen. Und uns berühren lassen.

Auf der Heimfahrt läuft im Radio "Rosenstolz"

"Liebe ist alles - alles was wir brauchen - lass es Liebe sein"